20 Jahre Gesellschaft für Pädiatrische Sportmedizin (GPS)

Vortrag anlässig des GPS Jubiläums von Dr. Joachim Gunkel - Jahrestagung 2020 Salzburg

Liebe Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen! „20 Jahre Gesellschaft für Pädiatrische Sportmedizin“ (GPS)! Erlauben Sie mir, dass ich mit meinen 81 Jahren heute einen auch persönlich gefärbten Rückblick über diese 20 Jahre hinaus halte.



Zunächst möchte ich Sie in die Zeit versetzen, in der die Kindersportmedizin gewissermaßen geboren wurde und die GPS sich daraus entwickelt hat. Anfangen darf ich mit der plakativen Präsentation dreier Lehrbücher der Kindersportmedizin, die 1986, 1992 und 2002 erschienen sind. Sie repräsen-tieren die Länder Österreich und Deutschland unter Einbeziehung der ehemaligen DDR. Die Schweiz vertritt Frau Prof. Susi Kriemler, die seit 2015 Vorsitzende der „Gesellschaft für pädiatrische Sportmedizin (GPS)“ ist, in der ja vor allem Mitglieder dieser drei Länder in einem - man könnte sagen - D-A-CH -Verband vertreten sind. Eigentlich hätten wir im vorigen Jahr 2019 bereits das „25-jährige“ feiern können, denn die GPS hat sich erst unter wissenschaftlichen Aspekten aus der am 19. September 1994 beim Deutschen Kinderärztekongress in Hannover gegründeten „Pädiatrische Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendsport“ entwickelt.



Leider sind die beiden Urväter Prof. Theodor Lücking (Düsseldorf) bereits 1996 und Prof. Bodo Jüngst (Mainz) im Jahre 2017 verstorben. Mit meinem in der Zeitschrift Sportmedizin erschienenen Nachruf darf ich vor allem an unseren Nestor Prof. Jüngst erinnern. Es waren damals überwiegend KinderärzteInnen mit sportärztlichen Vorkenntnissen, die ihre Sportbegeisterung und die eigenen sportlichen Erfahrungen mit dem selbst so positiv erlebten Leistungssport (damals noch ohne Doping!) weitergeben wollten. So ist der Vizepräsident der GPS Holger Förster bis heute immer wieder Nationaler und sogar Ärzte-Weltmeister im Mittelstreckenlauf geworden. Der Schatzmeister der GPS von Anfang an bis heute Rudolf Ferrari (Koblenz) war Leistungsturner und Prof. Helge Hebestreit (Würzburg) Leistungsschwimmer.



Selbst war ich 1957 „Deutscher Jugendmeister im 110m-Hürden-lauf“ mit deutschem Jugendmeisterschaftsrekord von 14,3 sec. - noch auf der Aschenbahn - geworden. Die Weltbestzeit für 17-jährige liegt heute - eigentlich von zwei Jamaika- nern gehalten - bei 12,96 sec. allerdings auf der Tartanbahn gelaufen. Wie ist diese Fabelzeit in dem Alter möglich? Heute bereits eine kindersportmedizinische Frage! Und alle hatten und haben noch heute sicher ihre Sport-Idole wie ich damals Jesse Owens. Der „Fosbury-Flop“ auf der kleinen Karikatur ist 2018 schon 50 Jahre alt geworden und besteht immer noch! Wie heißt es so schön: „Kinder kann man nicht erziehen, sie machen sowieso alles nach!“ Der Weltrekord im Hochsprung steht übrigens seit 1988 und damit in der Hoch-Dopingzeit bei 2,45 m (Javier Sotomayor, Kuba). Weitsprung-WR 8,95m. Legen Sie sich einmal spaßeshalber eine Hochsprunglatte auf diese Höhe oder messen Sie diese an der Zimmerwand. Der Jugend fehlen heute im TV Sportidole in vielen Sportarten, einige davon sieht man ja dank Fußball dort sowieso kaum noch. Stattdessen nerven bei den Sport-Events Talkshow-Interviews. Jugendmeisterschaften werden, wenn überhaupt, nur noch im LIVE-Stream gezeigt.



Die Idee war also; vor allem niedergelassene KollegenInnen sollten Kinder und Jugendliche und deren Eltern im Sinne einer Prävention für den Sport begeistern. Nur jeder Hundertste der SportärzteInnen im Deutschen Sportärztebund (DSB) ist PädiaterIn, die meisten Sportmedizi- nerInnen sind Orthopäden und Internisten, davon vorwiegend Kardiologen. Dabei sollten idealerweise Kinder- und Jugendärzte die sportmedizinischen Untersuchungen und Betreuungen bei Kindern und Jugendlichen vor allem im Leistungssport durchführen, wie es Prof. Jüngst bereits in den 90er Jahren gefordert hatte. Denn er sah die sportliche Leistungs-fähigkeit sowohl aus sportmedizinischer als auch aus gesundheits-präventiver und pädagogischer Sicht! Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Sportmedizin ist Bewegungsmedizin“! So hatte die „Pädiatrische Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendsport“ einen „Aufgabenkatalog“ erstellt, der vorausschauend ganz der Prävention geschuldet war. Denn nicht erst Ende der 80er Jahre waren gesellschaftliche Veränderungen zu beobachten.



Es wurden Begriffe kreiert wie bereits 1981 von Haynes „Liquidierung der Kindheit“, 1983 von N. Postmann „Das Verschwinden der Kindheit“,1984 von M. Binn „Kinder ohne Kindheit“ und wie ich finde besonders treffend 1990 von Jürgen Zinnecker die „Verhäuslichung der Kindheit“ vor allem durch den zunehmenden Medienmissbrauch, durch die Mediatisierung der Kindheit. Treffende Schlagworte wie „Heer von Schlaffis“, „Couch-Potatoes“, „Bleiente statt Seepferdchen“, Generation XXL“ und „fett - faul - krank“ beschreiben die bei den Kindern und Jugendlichen eingetretenen sichtbaren Veränderungen, um die wir uns als KinderärzteInnen aktiv bemühen müssen, indem wir ihre Bewegung und besonders ihre sportliche Aktivitäten fördern.



Wenn man wie ich sich besonders mit dem „Kinderspiel“ beschäftigt hat, dann findet man ganz frühe Darstellungen von Kinder- spielen im Freien, mit denen meine Generation aufgewachsen ist. Neue KIGS- Studien belegen die immer weniger ver- brachte Freizeit im Freien und die weniger werdenden sportlichen Aktivitäten mit zunehmendem Alter bei Kindern und Jugendlichen nach den geforderten Richtlinien.... Dazu der Philosoph Jean-Jaques Rousseau, der um 1750 seine Zeit-genossen ermahnt: „Ihr seid beunruhigt zu sehen, wie das Kind seine ersten Jahre mit Nichtstun verbringt? Wieso? Ist es nichts, glücklich zu sein? Ist es nichts, den ganzen Tag zu springen, zu spielen, zu laufen? Sein Leben lang wird es nicht mehr so beschäftigt sein“. Und für dieses Glück - meine ich - müssen wir KindersportmedizinerInnen uns einsetzen!



Seit Anfang der 1950ger Jahre haben sich in Deutschland Ärzte vermehrt in der „Kindersport- medizin“ engagiert. Das liegt vor allem an der rasanten Entwicklung der Kinderheilkunde mit der zunehmenden Spezialisierung in den einzelnen Fächern und den daraus folgenden thera-peutischen Erfolgen wie z.B. in der Kinderkardiologie und an dem immer früher beginnenden Leistungs- und Hoch-leistungssport. Hier eine Auswahl der erfolgreichsten „Kinder“ im Hochleistungssport bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften.



Die „Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin“ hat im Dezember 2019 ihre „70 Jahre Jubiläums- ausgabe“ herausgebracht. Bereits anlässlich der Gründung des „Deutschen Sportärzte- bundes“(DSÄB) im Jahre 1950 in Hannover, wurden Ausschüsse eingerichtet, darunter ein „Ausschuss Jugendpflege und Jugendfürsorge“. In dem dazu- gehörigen Protokoll hieß es, ich zitiere: „Ziel ist die Zusammenarbeit mit den Jugendherbergsverbänden, die Förderung internationaler Begegnungen, die Zusammenarbeit mit ausländischen Organisationen und der internationalen Presse, wobei im Vordergrund die Frage der Betätigung Jugendlicher an sportlichen Wettkämpfen und die Jugendbeteiligung an Erwachsen-enwettkämpfen steht. Tatkräftige Mitarbeit der Sport-ärzte zur Bestimmung der Belastungsgrenzen des Jugendlichen ist notwendig zur Schaffung gültiger Richtlinien.“ Zitat Ende.



Die erste Sitzung des „Ausschuss für Jugendfragen“ fand 1952 statt. 1967 wurde der Ausschuss in „Arbeitskreis für Jugendfragen“ und 1977 in „Sektion für Kinder- und Jugendsport“ und nach 2009 in „Ständige Kommission Kinder- und Jugendsport“ umbenannt. Sie hatte wie gesagt im Jahre 2017 ihr 65 jähriges Jubiläum gefeiert. Von früher fünf Sektionen wie noch 2. „Frauensport“, 3. Breiten-, Freizeit- und Alterssport, 4. Leistungssport sowie 5. Rehabilitations- und Behin-dertensport“ ist nur noch diese „Ständige Kommission Kinder- und Jugendsport“ bis 2019 durch ihre Aktivitäten übrig geblieben. Sie wird aber seit diesem Jahr finanziell vom DÄSP nicht mehr unterstützt; ob nur vorübergehend ist noch nicht entschieden. In ihr waren überwiegend PädiaterInnen und Orthopäden als Vertreter der 16 Bundesländer aktiv tätig. Sie erarbeiteten Stellungsnahmen zu wichtigen Themen wie Schulsport, Chronische Erkrankungen etc.. Der jetzige oder besser zuletzt gewählte Vorsitzende Wolfgang Lawrenz ist im Jahre 2017 auch als Beisitzer in den Vorstand der GPS gewählt worden, um eine Verknüpfung herzustellen.



Die Veröffentlichung dieser Stellungnahmen der bei den zweimal im Jahr stattfindenden Arbeitssitzungen über den DSÄB dauerte einigen pädiatrischen Sportmedizinern zu lang und so gründeten sie - wie gesagt - unter der Initiative von Prof. Bodo Jüngst und Prof. Theo Lücking 1994 die „Pädiatrische Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendsport“. Von 1994 bis 2000 waren Ihre Sprecher Lücking, Jüngst, Gunkel und Hebestreit. So gestaltete die AG u.a. beim gemeinsamen „Deutsch-Österreichischen Kinderärztekongress“ 1996 in Wien einen ganzen Tag mit dem Thema „Kindersportmedizin“. Dort wurde u.a. auch der Nestor der Österreichischen Sportmedizin Prof. Ernst Huber (Salzburg) verabschiedet. Er hatte in seinem 1988 erschienen Lehrbuch „Sport im Kindes- und Jugendalter aus ärztlicher Sicht“ u.a. noch eine Eignung der Kinder verschiedener Altersgruppen im Hinblick auf den Leistungssport für bestimmte Sportarten erst ab dem 7. bzw. teilweise ab dem 11. Lebensjahr als möglich aufgezeigt. Die „Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde“ hatte bis bzw. mit dem Jahr 2018 in Leipzig bisher fünfmal das Thema „Sport im Kindesalter“ bzw. „Kindersportmedizin“ auf ihren Jahrestagungen in ihr Programm aufgenommen. U. a. 1978 in Freiburg, dann in Mainz und 1990 in Köln; somit jeweils in Städten, die als Hochburgen der Sportmedizin gelten. Auf dem deutschen Kinderärztekongress in Köln war ein Haupt-Thema der „Leistungs- und Hochleistungssport“, wie es jetzt 2020 nach 30 Jahren in Salzburg wieder aufgegriffen wird.



International beginnt die „Geschichte der Kindersportmedizin“ sozusagen parallel zu der „Sektion bzw. Kommission Kinder- und Jugendsport“ in Deutschland eigentlich mit dem kanadischen Pädiater und Physiologen Prof. Oded Bar-Or, der als ihr visionärer Vorreiter anzusehen ist. Er baute in Hamilton/Ontario das „Children ́s Exercise and Nutrition Center“ auf. In seinem lesenswerten von G. und R. Rost ins Deutsche übersetzten, 1986 erschienenen und auch heute als Taschenbuch erwerbbaren Lehrbuch „Die Praxis der Sportmedizin in der Kinderheilkunde“ schreibt Oded Bar-Or im Vorwort, ich zitiere: „Bis Mitte der 60er Jahre konzentrierte sich die sportmedizinische Forschung auf den jungenErwachsenen bzw. auf den Menschen im mittleren Lebensalter. In den letzten Jahren lässt sich dagegen ein zunehmendes Interesse des Leistungsphysiologen gerade am Kind und am Jugendlichen beobachten. Ein wichtiger Anstoß für dieses Interesse war die wachsende Einbeziehung von Kindern in den leistungssportlichen Bereich. Heute sehen sich Kinder und jugendliche Leistungssportler häufig Trainingsbedingungen ausgesetzt, die noch vor 10 Jahren keinem erwachsenen Athleten zugemutet worden wären. Als Ergebnis dieser Entwicklung sind heute in Sportarten wie Turnen oder Schwimmen Meister und Rekordhalter jünger als jemals zuvor....... Noch vor wenigen Jahren wurde der Langlauf für Kinder völlig abgelehnt. Wenn heutzutage ein 10 Jahre altes Kind ein Marathonrennen zu Ende läuft, so erregt dies kaum noch Aufsehen.“ Und zum Schluss seines Vorwortes: Zitat: „Für viele Kliniker sei die körperliche Belastung als medizinischer Begriff noch eine „black box“, die es zu öffnen gilt!“ Bei dieser Jubiläums-Tagung soll sie hier wieder einmal weit geöffnet werden. Und weiter: „Der erste Anstoß zur sportmedizinischen Forschung im Bereich der Pädiatrie wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe zur Frage der pädiatrischen Leistungsphysiologie gegeben. Diese Gruppe, die ebenso Kliniker wie Physiologen umfasste, bildete sich 1967. Von ihr wurden 10 internationale Symposien abgehalten, in denen ca. 350 wissenschaftliche Vorträge gehalten und publiziert wurden.“ Die Zahl stieg danach rasant an.



Bar-Or hatte als Physiologe bis 2005 weltweit unzählige Menschen inspiriert, auf dem Gebiet der Kindersportmedizin klinisch tätig zu sein und zu forschen. Einer seiner Schüler war Prof. Helge Hebestreit (Würzburg), der dann Mitstreiter in Europa und ins- besondere in Deutschland suchte. Die fand er als Vertreter Bayerns in der bereits beschriebenen 1952 gegrün-deten „Sektion“ - heute „Ständige Kommission Kinder- und Jugend-sport“ der „Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention“, Und dann in der 1994 neu gegrün-deten „Pädiatrische Arbeitsgemein-schaft für Kinder- und Jugendsport“. Danach wurde die AG immer wissenschaftlicher und mit Mitgliedern aus Österreich, der Schweiz, England und Kanada internationaler. Somit gründeten die AG-Mitglieder im Jahre 2000 hier in Salzburg die „Gesellschaft für pädiatrische Sportmedizin (GPS)“. Ihr langjähriger Präsident war Prof. Helge Hebestreit, dann kurze Zeit der Sportphilologe Prof. Ralph Benecke (Marburg) und seit 2015 Prof. Susi Kriemler (Zürich).



Hebestreits großes Verdienst ist 2002 die Herausgabe des Lehrbuches „Kinder- und Jugend- sportmedizin“, an dem im Wesentlichen die Gründungsmitglieder beteiligt waren.



Die jährlichen Arbeits-Tagungen der Gesellschaft finden wie gesagt abwechselnd länderübergreifend in den D-A-CH-Ländern Deutschland, Österreich und in der Schweiz statt. Geselligkeit zum Kennen-lernen muss sein. Dazu einige Fotos.







ür die wissenschaftliche Kindersportmedizin muss m. E. ein weiterer Name genannt werden, der mir zwar bekannt war, dessen Bedeutung mir aber erst bei meinen Recherchen zu diesem Vortrag bewusst wurde: Prof. Dr. Dr. Ferdinant Klimt nicht nur wegen seines 1992 veröffentlichen Lehrbuchs „Sportmedizin im Kindesalter“. Über 30 Jahre widmete sich der Pädiater und Sport- mediziner zunächst in der ehemaligen DDR als Vorreiter der Kindersportmedizin dem sport- treibenden Kind in Praxis, Lehre und Forschung mit immer neuen Akzenten. So erfand er früh sein sog. „Bamby-Fahrrad“ für 4- bis 6- jährige, mit denen er erstmals telemetrisch ergometrische Untersuchungen durchführte. Bereits 1961/62 erschienen seine sportmedizinischen Publikationen. 1966 wurde er dafür mit dem Rudolf-Virchow-Preis ausgezeichnet. 1978 war Klimt nach einer Tagung im Westen geblieben und hatte zuletzt von 1979 bis 1993 eine Professur für Sportmedizin in Marburg. Zugleich war er dort Direktor des Instituts für Sportwissen- schaft. Ganz besonders lag ihm der Schulsport am Herzen. 1985 veröffentlichte er eine Gesamtdarstellung seiner Forschungsergebnisse mit seinem Buch „Freistellung vom Sport in Schule und Verein - Entscheidungskriterien für Ärzte, Pädagogen, Trainer, Übungsleiter“. Anfang der 80er Jahre baute er in Marburg den Forschungsbereich „Leistungsmedizin im Kindes- und Jugendalter“ auf, der später unter dem Begriff „Pädiatrische Sportmedizin“ fortgeführt wurde. 11 Dokumentationsbände belegen die Ergebnisse. 2010 erschien das Buch „Training und Gesund-heit bei Kindern und Jugendlichen, Aktuelle Beiträge zu Ehren von Prof. Dr. Dr. Ferdinand Klimt“. Leider hatte sich kein Kontakt zu unserer AG oder dann zu unserer GPS und umgekehrt gebildet. Er verstarb im Jahre 2016. Damit stößt man auf die geschichtlich interessante und damit m. E. hier erwähnenswerte Entwicklung der Sportmedizin im Osten Deutschlands, der ehemaligen DDR. Sie begann ab 1946 hoffnungsvoll mit dem von der „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ) initiierten Aufbau von Sportgruppen. 1948 wurde der sog. „Deutsche Sportausschuss (DS) gegründet. Erklärtes Ziel war die Einbeziehung breiter Schichten der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, mit dem Slogan der 50er Jahre „Jedermann an jedem Ort mehrmals in der Woche Sport“, sich regelmäßig sportlich zu betätigen. - wie aktuell notwendig heute! - Von verschiedenen Einrichtungen der Sporterziehung wurden bereits ab 1946 für Trainer und Sportstudenten sportärztliche Lehrinhalte vermittelt. Es waren Lehrbeauf-tragte der Berliner Charité, die zunächst die sportmedizinische Lehre als „Sportbio-logie“ vermittelten.



Hier muss Prof. Dr. Arno Arnold hervorgehoben werden, der als erster Vorsitzender der „Gesellschaft für Sportmedizin der DDR“ (GfSM) 1956 das erste gesamtdeutsche „Lehrbuch der Sportmedizin“, das über viele Jahre das Standardwerk war, herausgab. Er hatte bereits 1950 propagiert, dass „Jeder Arzt - ein Sportarzt“ sein müsse. Und er hielt bereits damals Sportmedizin als Pflicht- und Prüfungs-fach im Medizinstudium für unabdingbar. Aber erst Ende der 1980er Jahre erhielt es im letzten Jahr des Medizinstudiums einen festen Platz. Seit 1956 konnten sich aber sportlich interessierte Ärzte in einem einheitlichen Lehrgangssystem für die „Staatliche Anerkennung als Sportarzt“ in der ehemaligen DDR qualifizieren. Ab 1963 wurde im Osten der „Facharzt für Sportmedizin“ eingeführt und es kam zur Bildung des sog. „Sportmedizinischen Dienstes“ (SMD). Dieser übernahm von nun an eine staatlich zentralisierte Organisations-struktur und löste die vorher bestehende regionale Verantwortung ab. Ab Anfang der 70er Jahre wurde der Leistungssport in der ehemaligen DDR erheblich ausgebaut. Den Kreissport-ärzten oblag nun die umfassende Betreuung der in Trainingszentren aufgenommenen Nachwuchs-sportlern, die in einem lückenlosen Auswahlverfahren in den jeweiligen Schulklassenstufen ausgesucht worden waren. An den internationalen, namentlich den olympischen Erfolgen wurden letztlich Nutzen und Effektivität der Sportmedizin von den DDR- Staatsorganen gemessen. Die sportmedizinische Arbeit wurde politisch überwacht. In der Kontrollebene der Kreise waren das die „Kreisnachwuchs-Kommissionen“, von denen der Kreissportarzt Rechenschaft über die - man könnte sagen - „Kindersportmedizinische Nachwuchs- betreuung“ abzulegen hatte. Dabei unterlag jegliche Tätigkeit im Leistungssport strikter Geheim- haltung. Dazu gehörten auch besondere oder „unterstützende Maßnahmen“ sog. U.M.“, wie das Doping umschrieben wurde. Ein absolutes Tabu-Thema unter dem Motto „alle machen es – tun wir es nicht, geraten wir ins Hintertreffen.“ Dabei seien gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Wer sich als Sportarzt weigerte, konnte sicher sein, für einen Einsatz im Leistungssport als ungeeignet beurteilt zu werden. Der Karriereknick folgte. Nachzulesen in „100 Jahre Deutsche Sportmedizin“.



Die Geschichte der Sportmedizin im Erwachsenenalter, die mit Hippokrates begann, würde den Zeitrahmen sprengen. Sie wird in dem Jubiläumsband „100 Jahre Sport-medizin“ (2012) von K-H. Arndt, H. Löllgen und D. Schnell. und in der „Geschichte der deutschen Sport- medizin“ (2008) von Hollmann (für den Westen) und Tittel (für beschrieben. Dort habe ich unter dem Kapitel „Das Doping- Problem“ von Prof. Herbert Löllgen“ das Thema „Kinder- Doping“ (nicht nur das „Zwangs-Doping“ der DDR) vergeb-lich gesucht, das offensichtlich verdrängt wird, da es die Sportmediziner in ein schlechtes Licht stellt.



Auch die diesbezüglich aufklärenden Arbeiten von Brigitte Berendonk und Prof. Werner Franke fanden keine Erwähnung, ebenso nicht der 1999 von Prof. Ines Geipel gegründete „Dopingopfer-Hilfe-verein“ mit zunächst über 200 aner-kannten Dopingopfern mit ihrem Buch „NO LIMIT“. Inzwischen werden über 1.500 Betroffene betreut. Dazu Eugen Roth: Ein Mensch weiß noch aus Kindertagen Vom Glanz der alten Heldensagen. Nur Siegfried hat er nicht gemocht von kleinauf, weil der unfair focht. Und immer hat ihn schon erzürnt, Dass der getarnt war und gehürnt. Sich solcher Finten zu erdreisten Dürft heut ́ kein Kämpfer sich mehr leisten. Er würde dis- (mit einem Wort) Qualifiziert in jedem Sport. Und alle Blätter würden melden Die Schande so entlarvter Helden. Den Vorteil hat die Gegenwart: Die Gleichberechtigung beim Start. Obwohl der Mensch sich oft ertappt beim Wunsch, er wäre tarnbekappt, Sah er moralisch sich verpflichtet. Dass er auf solchen Trick verzichtet.



Das ist ein Thema, welches zwar im Wesentlichen, aber nicht nur den/die Hochleistungs- sportlerInnen betreuenden SportmedizinerIn betrifft. Es muss aber bei der sportärztlichen Untersuchung mit der so wichtigen Sport-Anamnese unbedingt angesprochen werden. „Sport ohne Doping“ muss das Anliegen der Kindersportmedizin und damit der GPS ebenso wie die Prävention sein! Dieses Thema besetzt ja im Titel die „Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention“, in der die GPS in Prof. Christine Graf eine starke Vertreterin für unsere GPS hat. Einige Lehrbüchern der Sport- medizin enthalten Kapitel mit dem Thema „Kindersportmedizin“.



Immer wieder erscheinen neue Lehrbücher oder Artikel mit Schwerpunktthema Kindersportmedizin in den Fachzeitschriften, die auf der Homepage der GPS zu finden sind. Wie gern würde ich noch erleben, dass wieder mehr Kinder und Jugendliche wie wir früher einfach Spaß haben an Bewegung und vor allem am Leistungssport ohne Höchstleistungszwang! Vor einiger Zeit sprach mich in Schleswig ein Vater an; „Sie sind doch Dr. Gunkel. Ich erinnere mich noch genau wie Sie vor über 30 Jahren bei der Erstuntersuchung unseres damals schon so aktiv sich zeigenden neugeborenen Sohnes sagten; „den müssen Sie gleich im Sportverein anmelden!“ Das haben wir dann auch getan“. Und Sie sollten sich über die Homepage mit dem entsprechenden Formular bei der „Gesellschaft für pädiatrische Sportmedizin“, der GPS, als zukünftiges Mitglied anmelden, so Sie es noch nicht getan haben!

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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Joachim Gunkel